Eine Woche Kreta. All inclusive

Lisa Jäger

Eine Woche Kreta. All inclusive.

Roman 198 Seiten

ISBN 978-3-942849-04-3 12,90 €

Schlimmer geht immer.Diese Worte haben ihren mehr oder weniger berechtigten Platz in diesem mehr oder weniger erholsamen Urlaub. Ereignisse überschlagen sich und machen es der zwanzigjährigen Lena nicht leicht, etwas Positives zwischen all dem Chaos zu finden. Ruhige Minuten werden zur Seltenheit und schon bald entpuppt sich der Urlaub als nicht so ganz entspannend wie erwartet. Hübsche Animateure, alte Liebschaften, neugierige Mütter. Ein Missverständnis jagt das andere, welches wiederum von der nächsten Peinlichkeit verfolgt wird. Der einzige Lichblick ist das ausgiebige Essen. Frühstück, Mittag- und Abendessen. Die einzigen drei Konstanten, auf die Verlass ist.

Das ist “Eine Woch Kreta. All inclusive.”

 

 
liesmich
 

Und hier noch ein kleiner Einblick in das Innere dieses witzigen und angenehmen Buches.

 

LESEPROBE:

 

Ich bin nicht wirklich stolz darauf Österreicherin zu sein. Ich mein, ich bin auch nicht nicht stolz darauf. Es ist mir im Großen und Ganzen egal. War ja nicht meine Entscheidung, wo ich zur Welt komme. Österreich ist durchaus ein nettes Land.  Also nett im Sinne von schön. Die Menschen dort sind auch durchaus nett. Also nett im Sinne von scheiße. Klingt jetzt böser, als ich es meine. Jedes Land, jede Stadt hat halt seine Idioten. Und Wien bildet dabei keine Ausnahme. Muffelige Grandscherben, welche ohne Rücksicht auf andere durch die Stadt rennen sind keine Seltenheit.  Unhöflichkeit mit einer kleinen Prise Ungeduld. Eine explosive Mischung. Ich kenn das nur zu gut. Ich bin selber so. Manchmal. Gelegentlich. Zumindest immer dann, wenn es die Situation gerade erfordert. Oder ich unausgeschlafen bin. Nichts wofür ich mich schämen muss und nichts worauf ich stolz bin. In Österreich geboren, in Österreich aufgewachsen. Kein Patriot, deswegen auch kein Idiot, aber ein bisschen deppat. Ich fühl mich dort wohl, wo mein Herz lachen und weinen kann. Nach dem Motto: „Home is where your heart is.“ Ich bin ein Mensch, der gerne verreist. Und ich bin ein Mensch, der gerne wieder zurück kommt. Neue Länder kennen lernen, sich ungeahnten Gefahren stellen und auf mutige Helden treffen. Neue Seiten an einem selbst entdecken und alte möglicherweise verwerfen. Und manchmal muss man den Sprung ins kalte Wasser einfach wagen. Auf in neue Gefilde! Genauer gesagt nach Griechenland. Mit meiner Mama. Statt kaltem Wasser also lauwarmes, und springen muss ich auch nicht alleine. Akzeptabel. Statt dem großen Abenteuer, ein erholsamer Urlaub. Denkste.

Erster Tag Meine Mama, eine Freundin von ihr noch aus Schulzeiten namens Elke, deren pubertierende Tochter Sabrina und ich. Weiberurlaub. Die Fahrt vom Flughafen zu unserem Hotel, Kreta Beach, führt uns gleich einmal an dem verdreckten, herunter- gekommenen Slum von Kreta vorbei. Da kommt Urlaubsstimmung auf. ´Und hier zu Ihrer Linken sehen Sie das Zuhause von Menschen, die sich nie, nie, niemals so einen Urlaub gönnen können, wie Sie es gerade vorhaben.´ Hallo? Urlaubsstimmung. Komm aus deinem Scheiß-Versteck, du hast jetzt kein Recht, einfach zu verschwinden. Sonst haut mich die Gegend, in deren Genuss ich auf unserer zwanzigminütigen Fahrt komme, auch nicht vom Hocker. Lässt mich kalt. Schirche Häuser, dürre ausge- trocknete Felder, bunte Reklamen, billige Souvenir- geschäfte. Urlaubsstimmung riskiert einen kurzen Blick, nur um daraufhin gleich wieder im Nichts unterzutauchen. Na danke! “Kreta Beach!”, dröhnt es durch die Lautsprecher. Wir springen auf. Unser Hotel. Im Gänsemarsch drängen wir uns durch den sehr komfortablen, allerdings relativ kleinen Bus. Draußen bleibe ich erst einmal stehen, erschlagen, ausgepeitscht, verprügelt von der Hitze. Schweißtropfen bilden sich, rinnen meinen Rücken hinunter. Ich drehe mich um. Lieber klimatisierter Bus, nimm mich bitte wieder mit, egal wohin! Doch dieser biegt gerade um die Ecke, ist auf dem Weg zum nächsten Hotel. Na gut, bleib ich halt hier. Wo sind denn alle? Ich blicke mich suchend um. “Lena!”, meine Mutter gibt mir ein paar Meter weiter vorne mit einer geübten Handbewegung, zu verstehen, dass ich mich in Bewegung setzen soll.

Unsere Koffer hat sie rechts neben mich platziert. Ich schnaufe. Danke, Mama! Ich nehme einen Koffer in die rechte und den anderen in die linke Hand, dann haste ich den drei Weibern hinterher. Mein Rucksack, der auf meinen Schultern ruht, lässt mich schwitzen wie ein Schwein. Mein T-Shirt ist schon ganz durchnässt und klebt an meiner nackten Haut. Grindig. Bei der Rezeption angekommen, murmle ich ein kurzes Stoßgebet vor mich hin, an den Typ gerichtet, der auf die Idee kam, Räder an Koffer zu montieren, und somit die Grundlage für den heute modernen und äußerst praktischen Trolli setzte. Amen! An der Rezeption wird uns freundlich mitgeteilt, dass unsere Bungalows bereits beziehbar sind. Ein junger Mann mit Brille bringt unsere Koffer zu unserem Zuhause für die nächste Woche, dann holt er uns und deutet, dass wir ihm folgen sollen. Er trägt eine lange Hose und ein weißes Hemd. Die Schweißperlen rinnen ihm von der Stirn, trotzdem kann man auf seinem Gesicht ein Lächeln erkennen. Armes Schwein, denke ich mir und folge ihm. Draußen vor der Rezeption parkt ein kleines Auto. Wagen, Wäglein, Spielzeugauto. Normalerweise sind mir solche Fortbewegungsmittel nur vom Golfplatz bekannt. Das sind die, mit denen man von einem Loch zum nächsten fährt. Egal, wir fahren auf alle Fälle zu keinem Loch, sondern zu unseren Bungalows, beziehungsweise werden dorthin gefahren. Der größte Körperumfang sitzt vorne, Elke. Mama, Sabrina und ich quetschen uns hinten zusammen. Plötzlich stoßt mich Mama an. “Hast du Geld bei dir?” “Was?” “Ob du ein bisschen Kleingeld bei der Hand hast?” Ich krame in meinem Rucksack. “Wozu?” “Trinkgeld. Für du weißt schon”, flüstert Mama und deutet mit ihrem Kopf Richtung armes Schwein. “Wie viel brauchst du?” “Ich weiß nicht. 50 Cent?” Hier mein Kleiner. Da hast du 50 Cent, damit du dir ein Eis kaufen kannst. “50 Cent?”, erwidere ich mich fragendem Blick. Da kann er sich gleich mit einem warmen Händedruck zufriedengeben. “Zu wenig? Dann halt einen Euro. Los mach schon, wir sind gleich da!” Liebe Mama, woher zum Teufel willst du wissen, ob wir gleich da sind? Ich gebe zu, weit kann es wirklich nicht mehr sein, aber es geht ums Prinzip! Hauptsache stressen! Ich drücke ihr das kleine Vermögen in die Hand und blicke in zufriedene Augen, die sich genau in dem Moment von mir abwenden, als die Euromünze ihre Handfläche berührt. Bitte! Gern geschehen. °°° Verglichen mit der öden Steinwüste auf dem Weg zu unserem Hotel ist Kreta Beach ein saftiger, üppiger Urwald. Schöne, große Palmen, Gras, ein paar Blumen hie und da, Kakteen, Sträucher. Nett. Wirklich nett! Man versucht, das Beste aus dieser hässlichen Gegend herauszuholen. Das ist gelungen. Unser Hotel ist eine gemütliche Siedlung von Bungalows und kleinen Zimmern. Dazwischen, gut verteilt, befindet sich ein Tennis- und ein Golfplatz, ein Beach-Volleyball-Netz, und eine Boccia-Sandkiste. Der Golfwagen bleibt stehen. “Ich zeige Ihnen jetzt ihre Bungalows.” Der Schweiß rinnt ihm in die Augen. Er zwinkert, wischt sich einmal drüber. Aua. Das muss wehtun. Salz im Auge, egal in welcher Form, ist nie gut. Sein Lächeln, absolut erzwungen, lässt er sich dennoch nicht nehmen. Respekt. Nachdem er uns alles gezeigt hat, überreicht er uns die Schlüssel, einen für Mama und mich, einen für Elke und Sabrina – unsere Bungalows sind nebeneinander – setzt sich in sein Gefährt und düst mit 5 km/h davon. Unsere Unterkunft besteht aus einem Bade- und Schlafzimmer mit einem Doppelbett, einer Kommode mit Spiegel, einem Sessel und einem Kühlschrank. Absolut akzeptabel. Etwas heruntergekommen, die Wände sind schief, aber sauber. Kein Grund zur Beschwerde. Dann setze ich den ersten Schritt auf unsere Terrasse. Sie ist ein bisschen höher als der Boden und bietet Platz für einen kleinen Plastiktisch und zwei Stühle. Ich starre gerade aus. Der Wind weht mir den Geruch von Meerwasser in die Nase und streicht mir sanft über die Haut. Hey! Wer kommt denn da aus seinem Loch gekrochen? Die Luft ist rein, komm ruhig raus. Lena! Hektische Bewe- gungen vermeiden! Hab ich dich! Jetzt bleibst du bei mir. Urlaubsstimmung murrt zwar ein bisschen, hat aber keine Chance, denn vor mir, ein paar Meter entfernt, liegt mir das Meer zu Füßen. Jetzt kann der Urlaub beginnen. Ich bin bereit. Nichts kann mich jetzt noch … “Ich fass es nicht!” Mama steht neben mir und rüttelt mich am Arm. “Schau dir das an! Siehst du das?” Was? Meinst du die unendlichen Wassermengen direkt vor meiner Nase? “Das Meer vor der Tür. Ein Traum. Elke! Elke! Siehst du das?” Und schon ist sie weg. Ich schaue mich um, reiße mich von diesem fantastischen Anblick los und stelle mit einem Lächeln fest, dass wir echt Glück hatten. Nur drei weitere Bungalows haben diese perfekte Lage, direkt am Strand mit Blick aufs Meer. Wir haben zwar beim Buchen ´am Meer´ angekreuzt, doch sicher war es nicht, dass genau in der Woche, wo wir in Kreta sind, zwei von diesen fünf Bungalows frei sind. Das ist pures, unverdünntes Glück. Ich lasse es mir auf der Zunge zergehen. Schmeckt herrlich! Nachdem wir alles ausgeräumt haben, machen wir uns auf die Suche nach dem Restaurant. Es ist zwölf Uhr, unsere Mägen knurren. Meiner zumindest. Das Gebäude, in dem sich das Restaurant und unter anderem eine Bar und ein großer Aufenthaltsraum befinden, ist nicht weit von uns entfernt. Fünfzig Meter nach rechts und wir stehen in einem großen Speisesaal mit Blick aufs Meer. Ein Kellner führt uns zu einem Tisch und lässt uns an seiner Freundlichkeit teilhaben. Der Saal ist groß, es ist genug Platz. Man pickt nicht an seinem Nachbarn. Links im Eck ist ein mächtiges Buffet aufgebaut. Ich schnappe mir einen Teller und begutachte es. Von Brot, Salat und Tsatsiki bis Nudeln, Reis und griechischen Köstlichkeiten, für jeden ist etwas dabei. Essen in rauen Mengen, elegant und geschmackvoll hergerichtet. Ich bin leicht überfordert. Meine Augen springen von einem Gericht zum anderen, während mein Magen sich zusammenzieht und ein komisches Glucksen von sich gibt. Schon gut, schon gut. Ich nehme mir ja schon! Ein bisschen was von hier, ein bisschen was von dort, das möchte ich auch noch kosten und das muss unbedingt auf meinen Teller. Vor mir türmt sich ein riesiger Berg auf. Ein Berg voller Essen. Kunstvoll habe ich das halbe Buffet auf meinen Teller geschlichtet. Nach mir die Sintflut! Wer jetzt essen will, muss warten. Ich grinse gierig und eile vorsichtig zum Tisch zurück, hole mir schnell noch etwas zu trinken und nehme endlich bei den anderen Platz. Mama schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an. “Was?”, frage ich “Ich hab halt Hunger. Mahlzeit!”, und beginne zu essen – die Andern greifen auch zum Besteck. Am Anfang habe ich das Gefühl, dass mein Turm von Babylon nicht im geringsten vorhat, sich zu verkleinern, weniger zu werden. Ich esse und esse, aus dem Drang, den Hunger zu stillen, wird der Drang über den Hunger hinaus zu essen und den Kampf mit dem Arschloch-Essen vor mir zu gewinnen. Der Sieg ist mein! Langsam, aber doch, verringern sich die Mengen auf meinem Teller. Mir ist heiß, ich verdränge das Gefühl der hin und wieder auftauchenden Übelkeit und esse weiter. Warum? Reine Sturheit. Ha! Geschafft! Ich lehne mich zurück und genieße den Triumph. Den Triumph über meine eigene Dummheit. Schwer atme ich ein und aus und merke drei Augenpaare auf mir ruhen. Keine Ahnung wie lange ich schon unter Beobachtung stehe, meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Essen. Fragende Blicke. “Also ich bin fertig. Von mir aus können wir gehen”, stöhne ich und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mit aller Kraft versuche nicht auf den Tisch zu kotzen. Mama, Elke und Sabrina stehen auf und gehen. Ich rolle hinterher. °°° Neben dem Restaurant ist ein Swimmingpool und neben diesem befindet sich die Snack-Bar. Also für den Fall, dass sich zwischen Frühstück, Mittagessen und Abendessen Hunger, der Hund, bemerkbar macht, ist auch schon vor- gesorgt. Gut zu wissen. Nach dem Erkundschaften der Anlage, kehren wir zu unseren traumhaften Bungalows zurück. Wenn wir die nicht hätten, wäre der Urlaub voll im Arsch. In der Versenkung. Die Alternativen zum Vergessen. Zum Ersten hätten wir die Bungalows am Swimmingpool. Laute, grauenhafte Musik, schreiende Kinder, Animation Tag und Nacht. Nein danke! Dann die Bungalows ganz hinten an der Rezeption. Hier kann man einen wunderschönen Ausblick auf den Minigolfplatz genießen, hinter dem sich die stark befahrene Straße erstreckt. Oder man hat sein Zimmer in der Mitte, umringt von anderen Bungalows. Das gemütlich auf der Terrasse sitzen wäre also eine Mischung aus glotzen und angeglotzt werden. Und zu guter Letzt hätten wir noch die Bungalows ganz an der Seite, wo man unfreiwillig in den Genuss der nervenaufreibenden, Gehirnzellen zerstörenden Animation des Hotels nebenan kommt. Der Gedanke, dass mir das alles nicht egal, sondern scheißegal sein kann, zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Mama hat uns zwei Liegen organisiert. Diese lässt sie schwungvoll auf die …

 

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